Wendelin Mangold - Pferdeäpfel (Literatur in schwierigen Zeiten)
PFERDEÄPFEL
Ich habe, sagen wir mal, aus purem Spaß eines Tages Pferdekot (in meinem Dialekt „Rossbolla“), hochstilisiert „Pferdeäpfel“, auf einem Waldweg durch den Taunus fotografiert.
Als ich eines Tages meinem jüngsten Enkel meine Fotos zeugte, um ihn von der Langeweile, „Opa, mir ist langweilig!“, von dem Spiel, Schah, Karten, Domino etc. ermüdet, ablenken wollte, zeigte ich ihm die im Computer meine gespeicherten Fotos. Plötzlich schrie er belustigt auf: „Waas ist daas! Pferdescheiße! Pfui, warum hast du das fotografiert?“ Ich darauf: „Damit du Stadtkind weißt, dass es Pferde gibt und dass sie Hafer und Heu fressen und danach kacken.“
Aber Spaß beiseite: Die Stadtkinder wissen bei weitem nicht immer, wo die Milch herkommt und schon gar nicht, dass die Pferde Jahrhunderte lang fast die einzige Fortbewegungs- und Zugkraft waren, was ich noch selbst in meiner Kindheit im Deportationsort, der Sondersiedlung inmitten der Uraltaiga. Aber dafür war mein Enkel noch viel zu klein. Wird er einmal groß und liest diese Zeilen, wird er mich, wenn ich noch am Leben bin, besser verstehen.
Fotografiert am 10.10.2010