Wolfgang Buchhorn - Ganz nebenan – Spazieren gehen zwischen Leben und Tod in den Gärten der Schönheit. Gedichte (Autorenkorrektur)



Wolfgang Buchhorn
Ganz nebenan –
Spazieren gehen zwischen
Leben und Tod in den Gärten der Schönheit
Gedichte
Geest-Verlag 2024
ISBN 978-3-86685-922-7

160 S., 14 Euro


Gedichte sind – so verstehe ich sie – Ausdruck verdichteter Gegenwart. Sie beschreiben und weisen gleichzeitig über das übliche Denken, Beschreiben und Interpretieren, also über die Gegenwart hinaus. Sie öffnen Möglichkeiten oder Möglichkeitsräume und -zeiten.
Das (auch noch) Mögliche macht das Wirkliche weit. Wie weit das Wirkliche als Wirkendes sein darf, kann nur der jeweilige Leser, die jeweilige Leserin ganz frei entscheiden. Es gibt nicht nur ein und dann womöglich noch „richtiges“ Verstehen.
Im Zen gibt es ein dazu passendes Wort: „Wenn der Schüler bereit ist, erscheint der Lehrer.“ Ob das Gedicht zum Lehrer werden kann, hängt also ganz vom Leser ab und von seiner Bereitschaft, sich anrühren zu lassen. Das gelingt nicht immer, manchmal erst Wochen später. Diese Bereitschaft liegt zwar in unseren Möglichkeiten, doch unterliegt sie nicht dem bloßen Willen allein. Deshalb ist es ratsam, ein Gedicht zwei- oder dreimal zu lesen. Hegel empfahl den Lesern seiner „Phänomenologie des Geistes“, erst nach dem elften Lesen sei sie zu verstehen.
Darüber hinaus versteht ein Leser, eine Leserin das Gedicht beim ersten Lesen anders als beim dritten Mal und noch einmal anders beim siebten. Und das ist gut so.
Ein Gedicht ist so lebendig wie der Leser/die Leserin, ja, der Verfasser selbst. Bekanntermaßen verändert sich Lebendiges ständig und damit auch der Blick, das Ohr auf Gelesenes, Gehörtes. Im Gedicht spricht das Schweigen zu mir und umgekehrt: Im Schweigen öffnet das Gedicht seine Tiefe.

Wolfgang Buchhorn