naomi dietrich - ich nehm mir morgen frei (Jugendliche melden sich zu Wort)

Ich nehme morgen frei

9.00 Uhr
Aufgestanden, zwei Stunden zu spät. Verdammt, meine Mutter macht mir die Hölle heiß!

10.00 Uhr
Auf dem Weg zur Schule. Festgestellt, dass die Spanisch-Hausaufgaben fehlen. Begründung: Ich kann kein Spanisch. Ich konnte es noch nie. Werde es nie können. Lösung: Keine. Folge: An-schiss, Einreden eines schlechten Gewissens sei-tens der Lehrerin.

Julia Suid - Einfach anrufen (Text des Tages)

Julia Suid (20 J.)
… einfach anrufen


Okay ... den Zahnarzt anrufen. Termin geben lassen. Auflegen. Müsste doch gehen. Oder?
Begrüßen, Anliegen erklären, Danke sagen, verabschie-den. Gar nicht so viel.

Moment ... deutlich sprechen und langsam. Nachher denken die noch, ich sei verrückt. Und höflich sein!
Ja ... die Nummer, wo ist die Nummer? Warte ... was wollte ich nochmal wissen? Termin! Ja, einen Termin wollte ich haben ... 

Besser, ich schreibe mir das auf.

Buch: 

Emma Lüers - Steinwege (geschrieben während eines Aufenthalts von Jugendlichen in der gedenkstätte Ravensbrück)

Steinwege
Emma Lüers

Durch die Mauer zieht ein Riss. Ein Kreis, langsam stapeln sich Dreiecke und die Welt wird schwer. Nicht genug sind die stummen Lippen, aber zu viel die ganzen Worte, die gesagt werden könnten. Mittlerweile greifen doch bloß Blätter und kein Stacheldraht in die Füße, die sich auf dem Weg verlieren. Der Herbst will seine Farben gelesen sehen, aber vielleicht sollte er es hier lassen, eine Welt könnte sonst vergessen, wie Feuer schmeckt.

aus dem Buch:

Arbeitsstipendien für Autorinnen und Autoren in NRW

Das Ministerium für Kultur und Wissenschaft vergibt Arbeitsstipendien für Autorinnen und Autoren. Die Stipendien dienen dazu, ohne wirtschaftlich-materiellen Zwang bereits begonnene literarische Werke zu beenden. Zudem sollen sie weitere Planungen anregen.

Ausgewählt werden pro Jahr bis zu acht Autorinnen und Autoren, die ihren Wohnsitz seit mindestens zwei Jahren in Nordrhein-Westfalen haben. Nach Erhalt eines Stipendiums ist eine erneute Bewerbung erst nach drei Jahren möglich.

15.12.19

Sigune Schnabel - Dunkelfarben (Gedicht des Tages)

Dunkelfarben


Aus Winkeln
klingt das Schweigen
grau, tönt hohl und ohne ein Geheimnis.

Noch laufe ich durch Türen
dieses Hauses,
das längst die Blätter
von den Dächern wirft.

Vor Jahren hat die Welt
den Stift gewechselt,
fremd die Schrift
im Zwischenraum der Tage.

Durchs Fenster
weht noch Mutters Stimme.
Wie Regen
ändert sie von jedem Gegenstand
den Ton.
 

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