Dieter Krenz - Das Kind, Leo und die Langeweile
Als das Kind Leo besuchte, saß der mit einem ganz dicken Buch auf dem großen Sofa im Wohnzimmer. Das Buch war ein Lexikon, das früher einmal seinem Opa gehört hatte. An Stelle von Fotografien waren schwarz-weiße Zeichnungen zwischen den Texten. Leo zeigte dem Kind voller Begeisterung das alte Buch:
Wenn ich mir diese Sachen anschaue, dann wäre mein Wunsch einmal in eine andere Zeit zu springen.
Du wünschst Dir also eine Zeitmaschine, erwiderte das Kind.
Leo nickte.
Und warum möchtest Du in eine andere Zeit hüpfen?, fragte das Kind.
Hüpfen!, Leo musste lachen. Die Zeit jetzt ist doch viel langweiliger als die Ritterzeit zum Beispiel.
Klar ist es für Dich jetzt langweilig. Du bist ja krank und kannst nicht viel machen, sagte das Kind.
Das meine ich nicht, widersprach Leo. Es ist immer langweilig.
Stimmt. Wir leben in der totalen Langeweile. Wir spielen immer langweilig, verstecken uns langweilig, rennen ganz langweilig und hüpfen nur noch langweilig - so langweilig, dass wir dabei ständig gähnen müssen, entgegnete das Kind.
Hör auf, ist schon gut, lachte Leo.