reinhard rakow - tausend - covid-pressionen (1 bis 5)




(1)
manchmal führt mein weg ins uferlose
areal der gaumentauben münder
dort droht gottvertrauen und gepolstert
mit watteworten erstirbt selbst sehnen
auf der zunge geschweige denn ein schrei
der empörung der sich quälte aus dem
herbstrot der kehle schlundbraun der aster
wo doch ... kalt es wird kalt in den nächten
beklommen verkriechen wir uns heimlich
während die wölfe lingual weichen


(2)
mit einsatz von tränengas steigt die zahl
der festgenommenen toten die für
teure drogencocktails geld nie hatten
offengestanden die ladeluken
italienischer wehr-LKWs
wie das durch mark und bein zog: bergamo –
dabei trieb uns doch nur der mangel an
liebe an unbeschnittenen stunden
vögel fliegen zu lassen ins blaue
licht und jetzt setzt schritt vor schritt ein rabe


(3)
nichts ist richtig nichts ist falsch ich kann dir
nicht raten es wird ungemütlich im
sechs-achtel-takt der beats p. m. und der
neuen fallzahlen inzidenzen r-
werte schwerer systemrelevanzen
ich kanns nicht mehr hören ich kann nichts mehr
hören zwischen arzt pfleger und zischen
träum ich im sauerstoffzelt weißes tuch
um stählerne recken schmiegen sich um
zwei vor zwölf fiebrig zitternde leiber



(4)
so schau: eine verstörend schöne herbstzeit
lose wie sie entzündet dem scharlach
rot des nährstoffreichen lungenhaschees
entsprießt tausend bläschen weiter tausend
tode später eingehüllt in eine
folie von plastik vergeblichkeit
und resignation dennoch: blühe
blühe nur weiter schöne zeitlose
im eröffneten brustkorb dem place
bo zum dank dem pathologen zur freud


(5)
die punk-band trennt sich von den nachrichten
eins zu eins ein appell zugunsten der
musik: ach! dass sie doch auf der bühne …
man versucht sich einzufinden in die
veränderungen von denen niemals
einer geahnt sie je erleben zu
müssen man weiß garnicht ist das noch mensch
lich doch sie zieht wieder zurück aufs land
zu mama blumenkohl züchten sagt die
diva heute in rom starben tausend