Sigune Schnabel - Verspielt (aus: Rette sich, wer kann?)
Sigune Schnabel, Düsseldorf
Verspielt
Dass wir dem Tag nicht trauen,
wenn das Jahr verblüht
und ich verfrüht
im wintermüden Brautkleid gehe,
fasse ich nicht.
Ich habe eine Nachricht geschickt
an mein Vergessen.
Manchmal, wenn du eine Halskette
um meine Stimme legst,
so eng, dass sie ganz eingeschnürt
in deiner Macht steht,
lärmt es auf dünner Haut.
Dann staut sich Sicherheit in mir,
bis ich zerspringe.
Sigune Schnabel, geb. 1981 in Filderstadt, wuchs in einer anthroposophischen Großfamilie bei Stuttgart auf. Nachdem sie sich von der Zeitungsausträgerin zur Vollzeit-Zeitungsausträgerin hochgearbeitet hatte, studierte sie in Düsseldorf Literaturübersetzen. Sie veröffentlicht regelmäßig in Zeitschriften und Anthologien. Sie gewann zahlreiche Prei-se, u. a. beim Thuner Literaturfestival Literaare und Ulrich-Grasnick-Lyrikpreis 2017 sowie beim postpoetry-Wettbewerb 2018. 2017 war sie Finalistin beim Literarischen März in Darm-stadt. Ihr Lyrik-Debüt Apfeltage regnen erschien 2017 gefolgt von Spuren vergessener Zweige im Mai 2019.