Sigune Schnabel - Ich könnte schweigen

Ich könnte schweigen

Am vorletzten Tag im Juni
stolpert die Zeit und bleibt stehen.
Sie wagt nicht mehr, den Fuß zu heben.
An der Kreuzung zum Haus wartet sie,
ruft nach mir.

Ich aber bin noch nicht geboren,
höre nur leise
einen Namen.

Noch trage ich die Elemente
auf der Haut, bin sprachlos
und mit Feuerworten wund
gedacht, die Nacht sieht mich
noch nicht.

Bald sollen Silben aus mir wachsen,
werde ich schweigen
oder schreien
wie ein Kind.

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Buch: 

Sigune Schnabel - Bauchraum

Bauchraum

Ich treibe im Bauch,
die Nacht habe ich mir einverleibt.
Mit den Ahnen spreche ich,
bevor meine Welt zum Fluss wird.
Es gibt keine Wurzeln
im Leben als Mensch, haben sie gesagt.
Ich dehne die Erinnerungen,
bis sie zu groß sind für meinen Leib.
Jeden Tag verliere ich
einen Baumring.
Bald werde ich stürzen.
Ich bin ein Fremdwort,
ein Ort vor der Grenze.
Morgen verlasse ich die Abgeschiedenheit.
Mein Mund ist bereit.

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Sigune Schnabel - Ich könnte schweigen (die Autorin liest)

Ich könnte schweigen

Am vorletzten Tag im Juni
stolpert die Zeit und bleibt stehen.
Sie wagt nicht mehr, den Fuß zu heben.
An der Kreuzung zum Haus wartet sie,
ruft nach mir.

Ich aber bin noch nicht geboren,
höre nur leise
einen Namen.

Noch trage ich die Elemente
auf der Haut, bin sprachlos
und mit Feuerworten wund
gedacht, die Nacht sieht mich
noch nicht.

Bald sollen Silben aus mir wachsen,
werde ich schweigen
oder schreien
wie ein Kind.

 

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