DAS FENSTER

Irgendwo ein Haus, ein Fenster und dahinter
ein Vorhang, zitternd, halb herabgerissen,
ein Schatten auf der gegenüberliegenden Wand,
und tote, hartnäckige Stille.

Der Schatten aber wie der Vorhang schwankt,
vom Wind in nebliger Dämmerung bewegt,
und wartet in der Stille bis zum Morgen
meines ungeschriebenen Briefes.

Niemandes Hand, niemandes Mund,
den Vorhang rissen Fremde nieder.
Hartnäckige Stille, leere Stube
und sonst nichts mehr.

.
Gabelung
Marie Klever

Und schon wieder stehe ich vor einer Gabelung.
Woher soll ich wissen, was rechts auf mich wartet? Was weiß ich, was links sein wird? Wenn ich weiter stehen bleibe – was verpasse ich? Was entgeht mir? Woher soll ich wissen, was geschieht, ohne es auszuprobieren?
Erst nachdem ich es erlebt habe, kann ich es beurteilen. Ob positiv, ob negativ.
Und doch bleibe ich stehen und warte. Warte, bis jemand oder etwas kommt, um mich in eine Richtung zu schubsen.

Blaue Blume scheint so klein und rein
pflanzt sich in ihr Herz hinein
und zu spät erkennt das dumme Stück
dass Eis und Kälte sie zerdrückt.
Nur die Blaue Blume bleibt zurück
und bricht aus der nächsten ein kleines Stück

Zerfließende Bilder


Hinter den Bildern versteckt
Wächst das Hoffen
Der Hunger nach Nähe
Bleibt ungestillt
Vergeht das Leben
Im Rausch von Formen und Farben
Konturlos
Schnell
Ich bleibe fassungslos zurück
Kraftlos
Leblos
Verzehrt von zerfließenden Bildern
Des Abschieds

Die lieben Nachbarn


Gestern der Plausch
am Eck
ab heute
die Grenze in Zentimeter
festgesteckt
Pfeile und Photos
flammen in Zinnoberrot
und die Raupe der Angst und Wut
frißt
sich in den Schlaf
bis zum Frieden
mit mir selbst