Gedicht des Tages

Safinaz Hallioglu - Fremd und doch daheim (Gedicht des Tages)

Fremd und doch daheim

In Mamas Bauch und davor
War ich daheim
Als Baby war ich überall fremd
Wo ich die Sprache nicht verstand
Als junger Mensch war ich überall fremd
Wo ich kein Buch zum Lesen fand
Als Ärztin war ich überall fremd
Wo ich keine Patienten sah
Als Mutter war ich überall fremd
Wo ich keine Kinder hatte
Jetzt habe ich alle meine Rollen vereint
Und bin ein Menschenkind
Als Menschenkind bin ich daheim
Überall wo ich ein Menschenherz erkenne

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Wolfgang Bullerdiek - Was nun (Gedicht des Tages)

 

Man sagte mir:

Mit der Sünde kommst du
nicht ins Paradies;
dort sind nur die Reinen
und die –
die verzichtet haben.

Man sagte mir:

Das mit der Überwindung,
es ist Schwindel,
damit die, die oben sind,
besser fressen und herrschen
können.
Und es gibt überhaupt kein
Paradies!
Es gibt nur dies eine Leben,
das bald vorbei ist.

Und ich fand:

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Dieter Radtke - Bei Tagesanbruch (Gedicht des Tages)

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Dieter Radtke

Bei Tagesanbruch

Morgens    
Eine Hand auf meinem Rücken
Wir – zwei balzende Vögel
Mit aufgerissenen Augen

Im Herzen der tägliche Terror
Arbeit – um dem Sinnlosen
Etwas Sinn einzuhauchen
Und dann Brot und dann Spiele

Wir sanken in die Nacht
Als wollte sie nie enden
Aber wir sind aufgewacht –
Morgens

Die Schlagzeilen sind groß –
Bald wird jeder 100 Jahre alt –
Aber vorher richten wir
Die Welt zugrunde -

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Erich Pfefferlen - Liebe Feinde (Gedicht des Tages)

Liebe Feinde

Habt Dank
für all die vielen Steine
die ihr mir in den Weg gestellt
so lernte ich
immer besser ausweichen

habt Dank
für neidische Blicke
durch sie erst
hab ich tiefer in euch blicken können
als in manchen sogenannten Freund

habt Dank
für die mit Volldampf losgelegte Feindschaft
durch sie erst hab ich erlernt
Geduld für kleine Schritte
notwendig für jedes
große Ziel

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Luisa Maureen Chilinski - James Mortis (Jugendliche melden sich zu Wort))



 

James Mortis

Schweißnassgebadet aufgewacht,
erneut geträumt, erneut gestorben:
James Mortis fällt, sein Kopf schlägt auf,
als schwarzer Regen ihn bedeckt.

Jeden Morgen, jeden Abend
tief verloren, Soldat James Mortis,
wenn seine Kellertür sich schließt.

Ach, wie war der Tag noch damals,
als Feuer fern und Leid ihm fremd.
Menschen sich zufrieden liebten,
Vergnügen spät erkannten Werts.

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Brigitte Spreitzer - Wohin fliehn wir nun mit unserm weißen Traum (Gedicht des Tages)

Wohin fliehn wir nun mit unserm weißen Traum
der eintreten will
in eine Welt in der wir da sind
der unberührt liegen will
im leisen Geflaum –
weißes Schmelzen auf fernen Wangen.

Weine um dich
wie du sein wirst wenn ich
dich hineingerissen habe
in ein Bild.
Weine um mich
wie ich sein werde wenn ich
mehr war als der Brennpunkt
des Unmöglichen.

Engel setzen über Grenzen, heilig.
Wir –

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Sabine Prilop - Erinnerung (Gedicht des Tages)




Prilop, Sabine: Schleierstaub



 

Sabine Prilop

Erinnerung

Wenn ich zeitnah zurückdenke, bewegen
sich meine Gedanken auf mich zu.
In den bekannten Verstecken des Hirns
tanzen die Bilder noch ohne Unschärfe.

Das Ausloten möglicher Schärfe,
die nach Jahren noch sichtbar ist, drängt sich
wie eine doppelt geschliffene Klinge
als Wahrnehmung immer häufiger auf.

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Uwe Erwin Engelmann - Marode Beziehungskiste (Gedicht des Tages)



Engelmann, Uwe Erwin: Zinnsoldat



 

Marode Beziehungskiste

Unsere Gefühle
füreinander
sind nun wie Holz

faul riecht es mitunter
und es stinkt zuweilen verbrannt

wir ahnen
dass der Geruch in Zukunft
noch schlimmer werden könnte

gemeinsam schleppen wir unser Kreuz
zu einer frisch geschaufelten Grube

sprachlos
bereiten wir
unserer gemeinsamen Zukunft
ein jähes Ende

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